Lesen lernen

Diagnostik und Therapie bei Störungen des Leseerwerbs

Bericht von Yvonne Weber

Das Herbsttreffen Patholinguistik hat sich in seinem vierten Jahr zu einem festen Bestandteil im Tagungskalender entwickelt. Am 20.11.2010 trafen sich in Potsdam 230 vpl-Mitglieder und Gäste, um sich mit Vorträgen und Postern weiterzubilden und gleichzeitig persönliche und fachliche Kontakte zu pflegen oder neu zu knüpfen.

Prof. Dr. Sylvia Costard (Uni Köln), Dr. Nicole Stadie, Dr. Christiane Ritter (beide Uni Potsdam) und Dr. Kristina Moll (University of York) referierten zur Diagnostik und Therapie bei Störungen des Leseerwerbs. Gegenstand intensiver Diskussionen war u.a. die Methode des rapid automatized naming (RAN). Da Lesen und das schnelle automatisierte Benennen den visuellen Input und den phonologischen Output gemeinsam haben, beschäftigt sich die aktuelle Forschung mit RAN als möglichem Prädiktor für Lesestörungen. Weiterhin wurde deutlich, dass die Entwicklungsdyslexie kein einheitliches Störungsbild aufweist, so dass vielmehr von Entwicklungsdyslexien ausgegangen werden sollte. Bei älteren Grundschulkindern sollte zudem nicht nur die Lesegenauigkeit sondern auch die häufig sehr langsame Lesegeschwindigkeit Gegenstand der Therapie sein. Abschließend wurde gezeigt, dass Lese-, Rechtschreib- und Rechenproblemen assoziiert aber auch einzeln auftreten können. Somit muss die Annahme der WHO, dass es keine isolierte Lesestörung gibt (vgl. ICD-10), angezweifelt werden.

Im Spektrum Patholinguistik wurde traditionell die gesamte Bandbreite der patholinguistischen Forschung vorgestellt. Neben visuell-orthographischen Verarbeitungsdefiziten waren die implizite Prosodie beim Lesen, die Rolle des Temporallappens bei der Stimmerkennung, der McGurk-Effekt bei Aphasie und die Fokuspartikel 'auch' im Spracherwerb Gegenstand der Kurzvorträge. Erstmalig in der Geschichte des Herbsttreffens gab es dabei einen Vortrag ohne physisch anwesenden Referenten: Dr. Saskia Kohnen referierte via Skype aus Sydney/Australien, wo es bereits nach Mitternacht war. In den Pausen bestand die Möglichkeit, die zahlreichen Poster anzuschauen und mit den Autoren ins Gespräch zu kommen. Auch hier wurde ein breites Themenspektrum geboten, u.a. wurden mehrere Poster zum Schlucken und zur Behandlung von Dysarthrien präsentiert.

Schon jetzt sind Sie alle herzlich zum 5. Herbsttreffen Patholinguistik am 19.11.2011 eingeladen, das im Jahr des 10. Geburtstages des vpl e.V. stattfindet und allein dadurch etwas Besonderes werden wird.